PILL MAYER STIFTUNG FÜR INTERKULTURELLEN DIALOG

Gehen Sie stiften

von Thomas Reuther

Rede von Thomas Reuther, ehemaliger Stiftungsvorstand der CaritasStiftung Lebenswerk Zukunft, zur Gründungsfeier der Pill Mayer Stiftung für interkulturellen Dialog am 17. April 2011 in Wolfegg-Alttann

Rede von Thomas Reuther, ehemaliger Stiftungsvorstand der CaritasStiftung Lebenswerk Zukunft, zur Gründungsfeier der Pill Mayer Stiftung für interkulturellen Dialog am 17. April 2011 in Wolfegg-Alttann

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

dreierlei habe ich in meiner fast zehnjährigen Begleitung von Stiftern bei deren Stiftungsgründung noch nie erlebt.

1. Ein Hochzeitsfest wird mit einer Stiftungsgründung verknüpft.

2. Das Stifterehepaar Dr. Irene Pill und Dr. Bernd Mayer schreibt eigenhändig eine Stiftungspräambel. Von Außen wird kein einziges Wort ergänzt oder geändert. Die Botschaft der Präambel spiegelt die Identität des Stifterehepaars. Das ist einmalig.

3. Das Stifterziel „Interkultureller Dialog“ bündelt ein hochpolitisches Thema mit den Aufgaben Bildung, Soziales und Friedensförderung. Auch das ist in dieser Form neu.

Zu allen drei Feststellungen nehme ich je eine Anleihe bei Antoine de Saint-Exupéry.

Zum Hochzeitsfest: „Liebe besteht nicht darin, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in dieselbe Richtung blickt.“ Das Ehepaar Pill-Mayer zeigt öffentlich den gemeinsamen Blick in die Zukunft.

Zum Inhalt der Präambel: „Wenn du in deiner Mansarde sitzst und einen Willen hegst, der stark genug ist, dann kannst du von dieser Mansarde aus die Welt in Flammen setzen.“ Frau Dr. Pill und Herr Dr. Mayer, wenn Sie mit Ihrer Stiftung nur einem Menschen helfen, dann haben Sie bereits begonnen, die Welt zu entflammen.

Zum Stiftungsziel „Interkultureller Dialog“: Der kleine Prinz sagt, „Du bist zeitlebens dafür verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“ Es zeigt Ihre Verantwortung in der Zukunft, denn Sie sind dem interkulturellen Dialog vertraut, Sie sind ihm verhaftet und verschrieben. Es war Ihr Lebensthema, Frau Dr. Pill und Herr Dr. Mayer, es ist Ihr Lebensthema und es wird Ihr Lebensthema bleiben. Diese Verantwortung lebt in Ihrer Stiftung weiter.

Stifter und ihre Visionen: In meinem hauptberuflichen Wirken habe ich viele Stifter kennengelernt. Wer sind diese? Stifter spüren der Sinnfrage des Lebens nach. Mit ihrer Stifteridee stellen sie sich mutig dieser Sinnsuche. Ihre Sehnsucht macht sie kreativ. Mit ihrem Verlangen nach Veränderungen wollen sie das Gute wertschätzen, wollen sie die Welt im Kleinen und im Großen zum Guten verändern.

Stifter sind keine Wutbürger, sie sind vielmehr Mutbürger. Ihre Sehnsucht nach Leben, nach Gerechtigkeit, nach Frieden, nach Bewahrung der Schöpfung, nach Treue, nach Wertschätzung erhält in ihrer Stiftung ein Gesicht, den Ausdruck ihrer Gestaltungskraft, der Umsetzung ihrer Utopien in die reale Welt. Die eigene Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Gerechtigkeit sind ihre Antriebskraft.

Stifter wirken intelligent, kämpferisch und einladend, gewinnend, missionarisch, mutig, fröhlich, brennend. Wer so innerlich frei ist, solche Freiheit lebt, setzt nicht auf vermeintliche Sicherheit durch Geld und Besitz. Es geht um ein tiefes Vertrauen ins Leben, um all das, was ich nicht kaufen kann: Vertrauen, Liebe, Gemeinschaft, Zuneigung. Unsere so durchökonomisierte Gesellschaft begreift durch jede neue Stiftung, wie viel wichtiger Unkäufliches für das Leben ist.

Bei Stiftungen geht es um einen Mentalitätswechsel: Weg vom Geiz und hin zum Geben, zu einer wunderbaren Verschwendung für einen gemeinnützigen Zweck. Gemeinnutz überwindet den Eigennutz. Weg vom Egoismus hin zum Miteinander, hin zur Nachhaltigkeit. Es tut unserer Gesellschaft gut, so neu zu denken.

Stiftungen sind ein Herzstück unserer Zivilgesellschaft. In Deutschland werden derzeit jedes Jahr Tausende von Stiftungen neu gegründet. Das tut unserem Gemeinwesen gut. Denn das solidarische Zusammenleben in unserem Land ist nicht durch staatliche Leistungen gewährleistet. Demokratie zeigt sich nicht nur in Mehrheitsentscheidungen, in der Regierungsarbeit und in Parlamentsdebatten. Eine Demokratie ist dann bei den Bürgern angekommen, wenn diese sich mit dem Staat und mit der Gesellschaft identifizieren. In einem obrigkeitlich organisierten Staatswesen bleiben die Untertanen passiv und erwarten alles von den Direktiven und dem Regierungswillen von oben. Selber die Initiative ergreifen, selber öffentliches Leben aktiv und eigenverantwortlich gestalten, sich für Andere einsetzen, darin lebt die Freiheit in einer demokratischen Gesellschaft, unabhängig von bürokratischen Gängelungen. Daher sind Diktaturen der Stiftungen größter Feind.

„Kein Staat der Welt kann die Verantwortung für eine Gesellschaft übernehmen, die von Verantwortung selber nichts wissen will. Wir tun deshalb gut daran, uns selbst mit einem geschärften Gewissen, mit Verantwortungsgefühl und Menschlichkeit zu wappnen und unseren eigenen Beitrag zu einer humanen Gesellschaft zu leisten.“ Das sage nicht ich, sondern Abtprimas Notker Wolf, Oberster Benediktinermönch in Rom. Stifter wollen daher nicht den Staat unterstützen, sie erwarten vielmehr Unterstützung durch den Staat für ihre Ziele in der Gesellschaft.

Was hält eine Gesellschaft zusammen? Es ist das Gefühl, nicht nur für das eigene Ich verantwortlich zu sein, sondern auch für andere. Diese Verantwortung ist keine Last. Sie ist ein Gewinn. Sie ist ein Gewinn für uns persönlich. Sie wird ein Gewinn für die Gesellschaft insgesamt sein, wenn wir uns an die Spitze einer Bewegung stellen.

Stiften kann jeder, dem die ideellen und finanziellen Möglichkeiten dafür zur Verfügung stehen. Nicht Millionenbeträge sind Grundlage einer Stiftung, sondern der Wille von Menschen, einen Traum, ihren Traum unsterblich zu leben. Wer stiftet, sorgt für das Weiterleben seiner Idee und seines Namens. Dazu erklärt er seinen Willen, eine Stiftung zu gründen oder zuzustiften und sichert dieser eigenen oder der bevorzugten Stiftung ein bestimmtes Vermögen zu, das nur zu dem von ihm bestimmten Zweck genutzt werden darf. Das Stiftungsvermögen darf und kann von niemandem angetastet werden. Es bleibt durch sorgsame Anlage in seinem Wert erhalten und trägt Zinsen.

Stifter setzen ihre eigene Vision in zukünftiges Handeln um. Stifter trennen sich daher bewusst und in freier Entscheidung von ihren Vermögenswerten. Stifter geben nicht, was sie haben, Stifter geben, was sie sind. Stifter erwarten Wertschätzung, sie definieren den Schatz in ihrer Stiftung als Wert. In diesem Sinne sind auch diejenigen Stifter, die als Ehrenamtliche mit ihrer Zeitgabe die Welt verändern. Ich nenne sie die Zeitstifter.

Lassen Sie sich von Dr. Pill und Dr. Mayer anstecken. Gehen Sie stiften, als Zeitstifter, als Projektstifter, als Spender, durch einen Stifterfonds, durch eine eigene Stiftung. Mischen Sie sich ein, dort, wo Sie Ihre Visionen umsetzen wollen und können in Bildung, Kunst, Kultur, Kult, Kirche, Soziales, Wissenschaft, Sport, Bewahrung der Schöpfung, Tierschutz, Friedensförderung, Dritte Welt. Alles dies sind hochwertige und hochwillkommene Ziele, verwirklicht in Wolfegg-Alttann, im Landkreis Ravensburg, im Land, im Bund, weltweit, in Burundi oder in Laos. Sie entscheiden.

Die Bereitschaft, konkrete Aufgaben in der Gesellschaft zu übernehmen und zu tragen, ist die positive Ausprägung Ihres Eigensinns, Ihres Ego, Ihres Stolzes und Ihres Sendungsbewusstseins. Stifter gestalten, sie helfen anderen zu helfen und bereichern sich dabei selber. Stifterzitate sind: „Ich habe selber etwas davon, wenn es einer sozialen Gruppe durch mein Engagement gut geht, wenn ich dies eigenverantwortlich bestimmen kann, wenn es entscheidend von mir abhängt, wenn meine Taten Spuren hinterlassen, sichtbare, spürbare, die künftige Wirklichkeit verändernde Spuren.“

Nochmals: Gehen Sie stiften, als Zeitstifter, als Streiter für eine gesellschaftliche Aufgabe, als Stifter. Dann machen Sie Dr. Irene Pill und Dr. Bernd Mayer glücklich. Und deswegen sind wir ja heute da.

 


Rede von Thomas Reuther, ehemaliger Stiftungsvorstand der CaritasStiftung Lebenswerk Zukunft, zur Gründungsfeier der Pill Mayer Stiftung für interkulturellen Dialog am 17. April 2011 in Wolfegg-Alttann